Es gibt mal wieder ein Lebenszeichen. Seit April habe ich nicht mehr wirklich von mir hören lassen, weder auf dem Blog, noch auf Instagram. Diese kleine Pause hat mehrere Gründe, die ich einfach gerne ein bisschen erklären mag. Faszinierender Weise gab es sowohl online, als auch in meinem Umfeld ein paar Spekulationen, die nicht unbegründet sind, ich aber trotzdem etwas näher zur besseren Verständnis erläutern möchte. Für euch und natürlich auch für mich selbst.
Gegen Mitte November hatte ich Heimweh. Ich verbrachte kaum noch ein Wochenende mehr in Leipzig, reiste viel um mich abzulenken und war oft zuhause. Die Weihnachtszeit war meine kleine persönliche Hölle. Prüfungsvorbereitungen standen zwischen Weihnachtsmarktbesuchen. Ich probierte mich abzulenken, immer & immer wieder. Aber ich hatte so enorm viel Angst vor den Prüfungen und dem schaffen, dass mich diese Ablenkungen eher zum Nachdenken anregte. Anfangs war ich mir sehr sicher, dass diese Angst nur Prüfungsangst ist. Ich hatte ja erst begonnen und wenn ich viel lernen würde, würde sich diese Angst sicherlich legen. Also lernte ich und lernte und lernte und lernte. Vor Weihnachten, nach Weihnachten und selbst an Weihnachten, denn die Prüfungsszeit startete nahezu nach den Weihnachtsferien.
Meine erste Prüfung lief super. Ich hatte viel gelernt und ein gutes Gefühl, welches selbst noch nach der Prüfung anhielt. Die zweite mündliche hingegen war relativ grausam. Ich hatte sie bestanden, aber die Worte des Professors blieben mir noch lange im Kopf.
Während dieser Prüfungen begann ich erstmals zu überlegen, ob dieses Studium denn wirklich gut für mich ist & ob ich Alternativen hätte.
Die Prüfungen waren vorbei und ich beschloss, die Ergebnisse einfach abzuwarten und dann zu entscheiden. Trotzdem war ich gegen Ende Februar schon sehr davon überzeugt dem Studium den Rücken zu kehren.
Früher habe ich zu spät gemerkt, was mich fertig & kaputt macht. Ich habe nicht gehandelt und weiter gemacht was in gewisser Weise gut sein kann, aber auch keine Lösung ist.
Nach den Prüfungen hoffte ich sehr auf dieses „befreite Gefühl“, ganz ähnlich wie dass, nach dem Abi. Aber so war es nicht. Ich machte mir Gedanken über die Ergebnisse und konnte immer noch schwer abschalten. Wir fuhren nach Prag und ich genoss die Zeit, jedoch immer mit einem Blick auf die Prüfungen.
Die ersten Ergebnisse wurden veröffentlicht. 1,3, 1,6 & 2,0. Ich freute mich eigentlich erst so richtig nachdem mir mein Umfeld gesagt hatte, wie gut diese Noten doch seien. Nach der letzten Notenbekanntgabe rief ich meine Mama an. Ich weiß noch ganz genau wie sie sich für mich freute, denn ich hatte alles gut bis sehr gut bestanden (selbst meine so gehasste Finanzmathematik Prüfung). Als sie mir sagte wie sehr sie sich freut und dass ich doch jetzt weiter studieren kann fing ich unheimlich sehr an zu weinen. Denn ich wusste, dass ich nicht mehr weiter studieren wollte.
Spätestens ab diesem Punkt war mein komplettes Umfeld verwirrt.
„Das legt sich schon Marlene, dass ist ja alles noch neu & es war ja auch das erste Semester.“
„Aber dir hat es doch so gut gefallen und das Studium passt so gut zu dir. Ich kann mir dich so gut in einem Verlag vorstellen… Das ist definitiv das Richtige für dich. “
„Du hast doch alle Prüfungen geschafft und das nicht einfach nur so, sondern sehr gut. Du brauchst dir doch überhaupt gar keine Gedanken zu machen. Beim nächsten Mal machst du einfach weniger.“
Nur eine kleine Auswahl der Kommentare. Ich hatte das Gefühl, dass mich keiner wirklich versteht. Es war ja keiner wirklich da, als ich weder Essen noch schlafen konnte, mitten in der Nacht aufgestanden bin um zu Lernen, wie ein Wasserfall geheult habe und ehrlich gesagt auch überhaupt keinen Sinn mehr in irgendwas gesehen habe.
Diese Zeit war unheimlich schrecklich für mich. Ich hatte das Gefühl, dass fast keiner hinter mir stehen würde & wusste, dass ich zeitgleich eine Alternative suchen musste.
Ich schaute mir andere Studiengänge an, war aber überzeugt den Druck eines Studiums nicht noch einmal spüren zu wollen und sehnte mich unheimlich sehr nach mehr Praxis und geregelten Zeiten. Zudem wollte ich kein 0815 Plan B Studium beginnen. Ich entschied mich für Ausbildungen im Verlagsbereich. Also ging ich zum Probearbeiten & es war erträglich, wenn nicht sogar ganz gut. Trotzdem war ich unzufrieden, ich wollte etwas finden, dass mich zu 100% erfüllt. Zeitgleich musste ich aber auch feststellen, dass es sowas nicht gibt. Erstmals dachte ich auch dadrüber nach, ob Leipzig noch der richtige Standort für mich ist.
Also verschlug es mich zu den sozialen Ausbildungen in ganz Mitteldeutschland. Ich fuhr von Schule zu Schule ebenso wie von Betrieb zu Betrieb.
Ich sehnte mich sehr nach sozialen Berufungen, wahrscheinlich weil mir zu dieser Zeit auch einfach sehr ein soziales Umfeld sowie richtige (damit meine ich keine online Nachrichten ) Kontakte fehlten.
Nur eine handvoll Menschen, wussten zu diesem Zeitpunkt, dass ich mich gegen das Studium entscheiden würde. Die Semesterferien nutze ich also für Bewerbungsgespräche. Es fragte ja schließlich keiner nach, was man in den Semesterferien macht.
Ich täuschte vor, dass bei meinem Studium ja alles gut laufen würde. Es stimmte ja eigentlich auch, wenn man nur die Noten betrachtete. Aber das ich einfach nur unzufrieden war wollte ich keinem erzählen. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Mensch in meinem Umkreis das „perfekte“ Studium gefunden hatte. Alle waren glücklich und zufrieden, so wirkte es zumindest auf mich. Ich wusste ja auch, dass ich nicht durchgefallen war. Ich wusste, dass ich klug bin & das Studium auch schaffen würde. Aber ich wusste auch, dass es für mich ungesund sein würde, dass Studium durchzuziehen. Das ich noch mehr Menschen verlieren würde, ein ungesundes Gewicht auf die Waage bringen würde & unzufrieden mit mir selbst wäre.
Es trudelten also Ausbildungsverträge für soziale Beruf ein und ich freute mich mehr als bei den Verlagsbestätigungen. Trotzdem war ich noch nicht zufrieden und sehr unsicher, was ich überhaupt wollte.
Ich startete also ins zweite Semester. Der erste Tag zurück war der reinste Horror für mich. Ich wusste schon beim Ausstieg aus der Tram, dass ich meine Uni nicht mehr betreten wollte. Ich heulte mich bei einer Kommilitonin aus, der ich so unheimlich dankbar für Ihr Verständnis bin.
Ich beschloss ganz offiziell für mich – In das dritte Semester möchte ich nicht starten.
Den Spaß an jeglichen sozialen Medien hatte ich längst verloren, ich musste einfach immer an das Studium denken. Jetzt könnt ihr euch sicherlich vorstellen, warum es hier so ruhig war. Ich wusste, dass es besser für mich wäre Abstand zu verschiedensten Medien zu halten. Es machte mich nicht mehr glücklich und war für mich eher wie eine Art Zwang. Ganz ähnlich wie beim Studium.
Bis April stellte ich noch Content online. Zeigte mein Leben und ab und zu lies ich auch mal einen Blick auf meine Situation zu.
Ich beschloss mich erst einmal auf mich selbst zu konzentrieren und alle Sozialen Medien zu löschen und zu deinstallieren. Am Anfang war es unheimlich schwer. Ich fühlte mich so schon mit meiner Situation alleine gelassen.
Aber mit der Zeit lies ich wieder mehr Kontakt zu. Ich erklärte meinem Umfeld mehr oder weniger wie es mir gehen würde. Auch wenn die Meisten es einfach nicht verstanden. Das finde ich aber auch absolut nicht schlimm, denn es ist nicht leicht sich solch eine Situation vorzustellen, wenn man sie nicht selbst schon einmal erlebt hatte.
Parallel zu den sozialen Bewerbungen nach Leipzig, Jena etc. schickte ich auch ein paar in Richtung Heimat ein. Zunächst war ich sicher: Ich möchte in Leipzig bleiben. Dann war es Thüringen und schlussendlich überlegte ich wieder zurückzukehren ins Vogtland.
Nach längeren Tagen des Wartens hatte ich eine Zusage fürs Vogtland und freute mich. Trotzdem suchte ich noch nach Alternativen und das zeigte mir auf, dass ich doch nicht zufrieden war.
Ich bewarb mich für ganz andere Berufe und bereite mich gut auf die Vorstellungen vor. Die Zeit, die ich wieder zuhause verbrachte schenkte mir unheimlich Kraft und ich würde sagen, ich blühte so langsam wieder auf. Es gab zu dieser Zeit wirklich Hoch & Tief‘s. An manchen Tagen freute ich mich sehr und an anderen verkroch ich mich einfach nur in meinem Zimmer und dachte zu viel nach.
In dieser Zeit sprach ich auch ein bisschen mehr über mein Studium, wenn mich mein Umfeld dazu fragte. Mir fiel es aber trotzdem noch schwer, zu sagen, dass ich „aufgebe“ ohne einen Vertrag für eine Ausbildung zu haben. Übrigens, ich habe mich auch für duale Studiengänge beworben, bin nun aber so froh, dass ich (immernoch!) keine Nachricht davon gehört habe. Denn ein duales Studium wäre definitiv nicht gut gewesen.
An einem Tag im Mai hatte ich bei einem Bewerbungsgespräch ein besonders gutes Gefühl. Ich hoffte einfach sehr drauf eine positive Rückmeldung zu bekommen, denn ich könnte mir endlich richtig vorstellen, diese Ausbildung zu beginnen.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie sehr ich mich über den Anruf zur Bestätigung gefreut habe. So sehr habe ich mir wirklich lange nicht mehr gefreut.
Zugegeben mir fiel es trotzdem noch nicht leicht Leute von meinem Plan zu erzählen. Ich habe das Gefühl, dass man abwertend angeschaut wird, wenn man nach dem Abi kein Studium, sondern eine Ausbildung anfängt. Aber so ist es definitiv nicht. Ich weiß, dass zu meinem jetzigen Zustand ein Studium keine Chancen hätte. Ich möchte mehr Praxis und trotzdem noch etwas lernen. Das heißt aber nicht, dass ich ein Studium völlig ausschließe. Wer weiß wie es in ein paar Jahren aussehen wird.
Nach diesem Anruf hatte ich endlich wieder „Sinn gefunden“. Ich hatte nahezu keinen Gedanken mehr damit verschwendet, ob das denn das Richtige für mich sein würde. Es fühlte sich einfach richtig an und manchmal muss man einfach auf sein Bauchgefühl hören.
Wir kündigten also die Wohnung und ich probierte mich zu entspannen. Seid November hatte ich mich kaum noch richtig ablenken können und nun klappte es mal endlich wieder.
Ich reiste viel, das lenkt nämlich trotzdem noch am Meisten ab. Wir flogen an meinem Geburtstag nach Budapest, verbrachten ein paar Tage in Jena, Nürnberg & der Böhmischen Schweiz. Ich fuhr zu meiner Familie, besuchte meine Oma und schrieb ihr Briefe.
Ich konnte aufatmen, für mich selbst und ganz ohne es irgendwie in sozialen Medien festzuhalten. Versteht mich nicht falsch, ich liebe all diese Möglichkeiten um Erinnerungen festzuhalten. Aber in letzter Zeit war es einfach mehr Belastung als Freude für mich. Instagram vermisse ich übrigens immer noch nicht. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob ich mein Profil wieder aktiviere. Ich lasse mir einfach noch Zeit und wenn ich das Bedürfnis danach habe, wird es auch sicherlich wieder Posts geben.
Es lief endlich wieder alles gut. Ich war zufrieden mit mir selbst und meiner Situation. Die Zeit in Leipzig war absehbar und ich freute mich auf neue Herausforderungen.
Ich fuhr mit meiner Mama spontan nach Rügen und wir besuchten so oft es ging meine Oma im Altersheim. Sie freute sich sehr darüber , Fotos von uns zu sehen & meine Briefe zu lesen.
Doch bei jedem Besuch wussten wir- Es könnte die letzte Verabschiedung sein. Meine Oma ist 86 Jahre alt geworden und leider musste ich mich nun endgültig von ihr verabschieden.
Es hat mir das Herz gebrochen, eine so wichtige Person zu verlieren. Sie hat gelitten & gekämpft und war so eine starke Frau. Ich bin ihr so unheimlich dankbar für alles.
Der Tod von einem wichtigen Menschen wirft einen einfach aus der Bahn. Alles ist plötzlich anders und alle vielleicht für vergessen gehaltenen Erinnerungen der gemeinsamen Jahren schwirren einem durch den Kopf.
„Genießt das Leben und macht so viel wie möglich wenn ihr jung seid.“
Die letzten Worte die meine Oma mir gesagt hatte bleiben mir wohl für immer im Gedächtnis.
Und ehrlich gesagt bin ich froh über diese Worte. Sie haben mir in gewisser Weise noch einmal die Augen geöffnet und gezeigt, wie wichtig es ist, das Leben zu genießen.
Ganz egal ob Studienabbruch, Verlust von Menschen durch Streit oder Tod oder andere Beweggründe, das Leben muss trotzdem weiter gehen und man sollte jeden noch so kleinen Moment der Freude vollständig genießen. Es gibt so viele traurige Momente an denen man sich nicht festhalten sollte.
Das Genießen nehme ich mir jetzt als Lebensmotto. Ich tue das, worauf ich Lust habe. Reise von Stadt zu Stadt und freue mich auf alles was jetzt noch kommen mag.
Ich sehe meine Studienzeit nicht als verlorene Zeit, so wie sie so viele Menschen sehen. An den Erfahrungen alleine bin ich so unheimlich sehr gewachsen, ebenso wie an den glücklichen Momenten & neu gewonnen Freundschaften.
Irgendwie war es mir sehr wichtig, dass hier alles nieder zuschreiben. Denn mittlerweile weiß ich, dass es nicht nur mir so ging, sondern auch anderen Personen solch eine Situation durchleben oder durchlebt haben. Außerdem war es mir wichtig, mich noch ein bisschen mehr zu erklären. Es ist gar nicht so einfach, diese Situation in einem 5 Minuten Gespräch herunter zu rattern.
Es gab so viele Menschen die mich in letzter Zeit immer nach dem „Wieso?“ gefragt habe. Hier habt ihr eure Antwort drauf.
Ich hoffe ich konnte einiges Erklären und vielleicht auch dem ein oder anderen helfen, der sich in der selben Situation befindet oder befand.
Eure Marlene
But the welcome I receive with every start
Du bist was ganz Besonderes…HDL..Dein Papa
♥
Liebe Marlene,
erstmal möchte ich dir mein herzliches Beileid mitteilen. Geliebte Menschen zu verlieren ist immer hart, aber sie leben in unseren Herzen weiter. <3
Vielen Dank, dass du all das mit uns teilst. Es war sicher nicht einfach diesen Text zu schreiben und ich denke, er wird bestimmt vielen helfen, die sich vllt in ihrer momentanen Situation auch nicht so wohl fühlen. Ich wünsche dir viel Erfolg und Glück für die Zukunft! Hör weiter auf dein Bauchgefühl, es will nur das Beste für dich!
liebste Grüße, Nina 🙂
Liebe Nina,
danke für deine Nachricht!
Und ja, für mich leben auch besonders die Erinnerungen weiter..
Ich wünsche Dir natürlich auch nur das Beste für deine Zukunft und hoffe, dass es dir gut geht? 🙂
Ganz liebe Grüße nach Erfurt und hab noch eine tolle Woche!
Danke für den Bericht aus dieser Sichtweise. Ich bin mir nämlich noch nicht ganz sicher ob ich per Fernstudium BWL studiere oder aber auf eine Präsenzuni gehe. Meine Eltern wollen natürlich, das ich zuhause bleibe. Ich möchte aber mein Leben leben. Die Frage ist aber jetzt schon
Liebe Marlene, gerade habe ich deinen letzten Post auf Instagram gelesen und kann dir in ganz vielen Dingen nur zustimmen. Ich bin nämlich beim durchforsten meiner Kontakte wieder auf dich gestoßen, mir gedacht, hui, was macht sie denn? Ihre Bilder haben mir immer so gefallen. So oberflächlich Instagram geworden ist, so bin ich es doch auch, da mir z.B. gar nicht aufgefallen ist, dass du gar nicht mehr aktiv bist…
Herrje…
Schön zu lesen, dass es dir besser geht – ich kann deine Gedanken und Gefühle bzgl. des Studiums so nachvollziehen. Bei mir ist es leider der Job, in dem ich gefangen bin, wo andere nicht verstehen können, dass er mir keine Freude bringt. Mal sehen, wie sich meine berufliche Karriere entwickelt – ab April darf ich nämlich zu Hause bleiben und mich ab Juni einer ganz anderen, kleinen, süßen und wahrscheinlich sehr anstrengenden und manchmal stinkenden Aufgabe widmen.
Alles liebe,
deine frau_stengel